Das Cover sieht romantisch aus, der Titel klingt nach Liebesgeschichte - was das Buch nicht ist. Und auch der Klappentext weist m.E. in eine falsche Richtung, das sei gleich gesagt. "Jonetta sehnt sich nach Balance in ihrem Leben - doch ihr erwachsener Sohn wohnt noch im Kinderzimmer."
Jonetta ist verwitwet, Anfang 60, Arbeiterin in einer Großküche, und der 25jährige Sohn Ragnar wohnt tatsächlich noch bei ihr im Kinderzimmer des Reihenhäuschens und begleitet die Mama auch in den Urlaub in ihre Ferienhütte. Regelmäßig belegt er das beste Bett, bestimmt das Fernsehprogramm, meckert am Essen und lässt seine dreckigen Sachen herumliegen, bis Jonetta hinter ihm herräumt und wäscht - ein typischer Fall von Hotel Mama. Er hat nicht mal Arbeit, sondern bezieht Stütze und liegt ihr auf der Tasche. Und gleich auf den ersten Seiten wird klar, dass er auch noch trinkt.
Dass Jonetta so gar keinen Zugang zu ihrem Sohn findet, ist der Motor des Hauptkonflikts in dem Buch. Kurz angedeutet, eine Freundin von Ragnar - eine bodenständige junge Frau, Lehrerin, alleinerziehend mit zwei Kindern - verschwindet, nachdem sie ihn besucht hat. Es wird Vermisstenanzeige erstattet, die Polizei taucht auf und Jonetta hat keine Ahnung, welche Rolle ihr Sohn dabei spielt und was sie tun soll. Es handelt sich jedoch nicht um einen Krimi, um das gleich zu sagen. Die Hauptfigur, eigentlich die einzige Figur überhaupt, ist Jonetta. Alles wird ausschließlich aus ihrer Perspektive erzählt, und das ist eine Perspektive der Hilflosigkeit, der Selbstentfremdung, der Einsamkeit (die auf den ersten Blick selbstgewählt erscheint - aber was ist in einem solchen Dasein, in dem aus jedem Zwang ein neuer erwächst, schon selbstgewählt?). Alle anderen Personen tauchen nur als Randfiguren auf und bleiben eher blässlich - was ein bewusster Kunstgriff der Autorin sein dürfte, denn es gibt niemanden in dem Buch, auf denen sich Jonetta wirklich einlässt, außer vielleicht auf ihren alten Hund.
Man könnte das Buch, so zusammengefasst, für langweilig halten. Das ist es jedoch keineswegs. Auch wenn die Schilderungen zum Großteil - wohl mehr als drei Vierteln - aus Jonettas Herumpusseln in ihren beiden Haushalten bestehen (die Ferienhütte, eine einfache Butze im Wald mit Plumpsklo, ist übrigens hinreißend geschildert!), ist bei Anne Ragde jeder Handgriff von Bedeutung. Jonettas Aktionismus, mit dem sie im nahe gelegenen Teich planscht, die Hütte putzt und die Polizei beschwichtigt, ist ein Spiegel ihres Seelenzustands. Anne Ragde versteht es unglaublich gut, die innere Zerrissenheit der alternden Mutter fühlbar zu machen: "Sie wusste noch (....) dass Eltern die Pflicht haben, ihre Kinder zu lieben, dass Kinder jedoch nicht verpflichtet sind, ihre Eltern zu lieben." Man möchte ihr zurufen, dass sie den Nichtsnutz von Sohn hinauswerfen soll, und sie selbst sagt sich das auch. Doch was bleibt dann von ihr noch? Es ist nicht Balance, wonach sie sich sehnt, sondern Bedeutung. Ich liebe die Autorin dafür, dass sie einem so verbreiteten (und wenig beachteten) Konflikt, dem der alten Mutter, die nichts weiter erreicht hat als ein Kind großzuziehen, eine Stimme gibt, und sie macht es großartig. Jonetta ist weder eine Heulsuse noch ein Drachen oder eine Übermutter. Sie ist eine Frau mit einem typischen Problem unserer Zeit - dem, an der Schwelle des Alters um einen Platz im Leben kämpfen zu müssen.
Endlich allein ....?
Das Cover sieht romantisch aus, der Titel klingt nach Liebesgeschichte - was das Buch nicht ist. Und auch der Klappentext weist m.E. in eine falsche Richtung, das sei gleich gesagt. "Jonetta sehnt sich nach Balance in ihrem Leben - doch ihr erwachsener Sohn wohnt noch im Kinderzimmer."
Jonetta ist verwitwet, Anfang 60, Arbeiterin in einer Großküche, und der 25jährige Sohn Ragnar wohnt tatsächlich noch bei ihr im Kinderzimmer des Reihenhäuschens und begleitet die Mama auch in den Urlaub in ihre Ferienhütte. Regelmäßig belegt er das beste Bett, bestimmt das Fernsehprogramm, meckert am Essen und lässt seine dreckigen Sachen herumliegen, bis Jonetta hinter ihm herräumt und wäscht - ein typischer Fall von Hotel Mama. Er hat nicht mal Arbeit, sondern bezieht Stütze und liegt ihr auf der Tasche. Und gleich auf den ersten Seiten wird klar, dass er auch noch trinkt.
Dass Jonetta so gar keinen Zugang zu ihrem Sohn findet, ist der Motor des Hauptkonflikts in dem Buch. Kurz angedeutet, eine Freundin von Ragnar - eine bodenständige junge Frau, Lehrerin, alleinerziehend mit zwei Kindern - verschwindet, nachdem sie ihn besucht hat. Es wird Vermisstenanzeige erstattet, die Polizei taucht auf und Jonetta hat keine Ahnung, welche Rolle ihr Sohn dabei spielt und was sie tun soll. Es handelt sich jedoch nicht um einen Krimi, um das gleich zu sagen. Die Hauptfigur, eigentlich die einzige Figur überhaupt, ist Jonetta. Alles wird ausschließlich aus ihrer Perspektive erzählt, und das ist eine Perspektive der Hilflosigkeit, der Selbstentfremdung, der Einsamkeit (die auf den ersten Blick selbstgewählt erscheint - aber was ist in einem solchen Dasein, in dem aus jedem Zwang ein neuer erwächst, schon selbstgewählt?). Alle anderen Personen tauchen nur als Randfiguren auf und bleiben eher blässlich - was ein bewusster Kunstgriff der Autorin sein dürfte, denn es gibt niemanden in dem Buch, auf denen sich Jonetta wirklich einlässt, außer vielleicht auf ihren alten Hund.
Man könnte das Buch, so zusammengefasst, für langweilig halten. Das ist es jedoch keineswegs. Auch wenn die Schilderungen zum Großteil - wohl mehr als drei Vierteln - aus Jonettas Herumpusseln in ihren beiden Haushalten bestehen (die Ferienhütte, eine einfache Butze im Wald mit Plumpsklo, ist übrigens hinreißend geschildert!), ist bei Anne Ragde jeder Handgriff von Bedeutung. Jonettas Aktionismus, mit dem sie im nahe gelegenen Teich planscht, die Hütte putzt und die Polizei beschwichtigt, ist ein Spiegel ihres Seelenzustands. Anne Ragde versteht es unglaublich gut, die innere Zerrissenheit der alternden Mutter fühlbar zu machen: "Sie wusste noch (....) dass Eltern die Pflicht haben, ihre Kinder zu lieben, dass Kinder jedoch nicht verpflichtet sind, ihre Eltern zu lieben." Man möchte ihr zurufen, dass sie den Nichtsnutz von Sohn hinauswerfen soll, und sie selbst sagt sich das auch. Doch was bleibt dann von ihr noch? Es ist nicht Balance, wonach sie sich sehnt, sondern Bedeutung. Ich liebe die Autorin dafür, dass sie einem so verbreiteten (und wenig beachteten) Konflikt, dem der alten Mutter, die nichts weiter erreicht hat als ein Kind großzuziehen, eine Stimme gibt, und sie macht es großartig. Jonetta ist weder eine Heulsuse noch ein Drachen oder eine Übermutter. Sie ist eine Frau mit einem typischen Problem unserer Zeit - dem, an der Schwelle des Alters um einen Platz im Leben kämpfen zu müssen.